FEINDBILD 2.0
Christoph Wachter & Mathias Jud
Von Killergame und Karikaturenstreit bis zu Raubkopie und Radikaldemokratie zeichnen sich im digitalen Raum neue Fronten ab. Die Versuche der Einschränkungen und der Kontrolle des Internets verschärfen den Streit, erscheinen sie doch als Verrat am Ideal der freien Kommunikationsgesellschaft. Die offene, partizipative Installation FEINDBILD 2.0 im Kunsthaus Dresden entwickelt von den Schweizer Künstlern Christoph Wachter & Mathias Jud spürt diesem Spannungsverhältnis nach. Explizite Darstellungen der Gewalt und der Körper, sowie die Auseinandersetzungen um politische und religiöse Zeichen können im Museumsraum neu verhandelt werden. Netzkulturen, interessierte Gruppen sowie BesucherInnen sind eingeladen, in die Ausstellung in allen Räume des Kunsthauses Dresden direkt einzugreifen und mitzuwirken, die streitbaren Bilder auch in kunsthistorischer, ethischer und ästhetischer Hinsicht neu zu ergründen. Das World Wide Web als offene, freie Kommunikations- und Wissensmaschine weckt Hoffnungen. Frei wählbare Communities entstehen an Stelle zwingender Schicksalsgemeinschaften. Unterschiedliche politische, ökonomische oder machtstrategische Positionen lassen sich in Netzcommunities und Emanzipationsbewegungen ausformen. Das digitale Zeitalter beschert aber auch neue Spannungen und Brüche. Ein Legitimations- und Verteilungskampf entbrennt zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen hinsichtlich einer Kontrolle der Kommunikationskanäle. Vor allem Bilder werden in der schwer kontrollierbaren Präsenz des Internets immer wieder Auslöser heftiger Wertekonflikte und -debatten. Spezifische Darstellungen sind zentrale Aspekte des Zusammenhalts unterschiedlicher Communities. Darüber hinaus werden die BetrachterInnen aber in digitalen Kommunikationsprozesse direkt involviert in fatale Verstrickungen. Karikaturen führen zu Unruhen mit vielen Toten, Bauformen oder Kopfbedeckungen werden zur unüberwindlichen Distinktion erhoben und einzig für ein weiteres Munitionieren des Bilderkrieges werden Menschen gefoltert und hingerichtet. Debatten um Bildordnungen, um Darstellungsverbote und Jugendschutz greifen nur sehr bedingt. Vermehrt und in komplexer Weise sind wir auf uns selbst zurückgeworfen. Auch die schwindende Privatsphäre und die permanente, mediale Übermittlung und Vermittlung von Persönlichkeitsaspekten mischen die Faktoren des Eindrucks und des Ausdrucks und formieren individuelle Betrachtungen zu bedeutenden Handlungen. Eine scheinbar passive Betrachtung erzeugt heute eine enorme Sichtbarkeit, das Aufrufen einer Webseite, das Herumspazieren mit einem Mobiltelefon – nahezu alles was wir tun, generiert Daten. Die angefallenen Logfiles, History-Lists oder Georeferenzen greifen dem eigenen Betrachten permanent voraus und prägen als Werbebanner, Suchresultate oder Partnervorschläge des Online-Datings unsere künftigen Ansichten. Der offene Betrachtungsprozess verkürzt sich innerhalb der digitalen Bilderflut: die konsumierten Bilder werden selbst zu Erkennungszeichen oder zu Bekenntnissen – und im Gegenzug wird das Bild selbst zum Feind-Bild. Die Ausstellung FEINDBILD 2.0 untersucht Potenzial und Strategien, mit denen sich eine Bildgewalt und eine Bedeutungsmacht neu verhandeln lässt. Bildende Kunst, aber auch digitale Netzwerke schaffen eine Offenheit als Erkenntnisoption. Duchamp wies mit dem Readymade bereits in eine Richtung, die später unter dem Begriff des »Offenen Kunstwerks« Schule machte. In einer bedeutungsoffenen Anordnung stehen die Rezeptionsbedingungen und die eigene Bedeutung im Zentrum der Auseinandersetzung. Das offene Kunstwerk will die Herausforderung der Wahrnehmungsprozesse, des sinnlichen Betrachtens und menschlichen Reflektierens schlechthin. Die Installation »Feindbild« adaptiert diese Herausforderung in Form einer veränderbaren, offenen Versuchsanordnung, in der BesucherInnen, Netzcommunities und Betroffene selbst zu Wort kommen und sich selbst und ihren eigenen Umgang mitten in einer Bilderflut und Bildergeschichte ausprobieren können Zugriffsrechte auf Bilder und das Recht am eigenen Bild werden an Hand diskontinuierlicher Biografien evaluiert; die Sousveillance fragt nach den Formen von Bildgewalt und dem Dilemma omnipräsenter Überwachung; Projekte gegen Neonazis unterwandern die rechtsradikale Unterwanderung; eine Spurensicherung zu Horrorfilmen sucht nach der Greifbarkeit des Unbegreiflichen; schließlich wird das ganze Kunsthaus zum Battleground und der Ausstellungsraum wird mittels Ego-Shooter erobert, wodurch das Bespielen virtueller Räume den Austragungsort der Bilderstreite heimsucht – und umgekehrt eine Tradition der Schreckensbilder (wie Goyas Reihe »Desastres«) neue Gesichtspunkte auf den gegenwärtigen Bilderstreit erlaubt. Das gesamte Kunsthaus wird zur offenen Installation, in der das Schwemmgut aus dem digitalen Fluss und die Verhandlungsprozesse, die es auslöst, gemeinsam neu betrachtet werden und neue Formen der Community und des Austauschs ergründen werden können.
Das 2007 begonnene Projekt »picidae« (Mauerspecht) der Künstler Christoph Wachter & Mathias Jud erhielt im Rahmen der CYNETart_08 den Förderpreis der Sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst.
FEINDBILD 2.0
Ausstellung, Community und Diskussionsplattform zu Bild- und Bedeutungsproduktionen im digitalen Zeitalter
Eröffnung am Freitag, den 08. Oktober 2010 um 19:00 Uhr
09. Oktober bis 19. Dezember 2010
Kunsthaus Dresden, Städtische Galerie fürGegenwartskunst//Rähnitzgasse 8//Dresden-Neustadt//
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