Tele-Plateaus – performative Installation

Tele-Plateaus im Rahmen des Projektes INTELE


Mit Unterstützung des Dresdner Innovationsfonds für Kunst und Medientechnologie (DIF) wird das diesjährige Projektfestival CYNETart_07 in einen längerfristigen künstlerischen Erprobungs- und Forschungsprozess im Rahmen des Projektes International Network Telematic Environments (INTELE) eingebunden.
INTELE verfolgt das Ziel, die bisherigen Aktivitäten der TMA und ihrer Partner beim Aufbau eines transnationalen Netzwerks zur telematischen Verknüpfung von öffentlich begehbaren interaktiven Plätzen (Virtuelle Plätze der Weltkultur) auf der Basis des Camera-Motion-Sensing Systems EyeCon (Frieder Weiß) nachhaltig umzusetzen und trans-kontinental zu erweitern. Das betrifft

_die kĂĽnstlerische Nutzung sowie technische und bauliche Erweiterung des Interaktiven Pavillons im Zentrum Dresdens
_die weitere temporäre und vor allem nachhaltige Vernetzung des Interaktiven Pavillons mit ähnlich konfigurierten Plätzen in Europa wie Coventry, St. Petersburg, Prag, London, Wroclaw, Athen und Rotterdam sowie mit Orten in Australien, Asien, Afrika, Kanada, Südamerika und den USA
_die künstlerische Erprobung und Umsetzung von (vernetzten) virtuellen Environments (interaktive Bild-Klang-Räume) für interdisziplinär nutzbare Installationen als auch interaktive Bühnen
_die Durchführung entsprechender Workshops, Qualifizierungsveranstaltungen, künstlerischer Präsentationen und Aufführungen sowie eine damit verbundene permanente Projekt-/Netzwerkentwicklung und Mittelbeschaffung sowie den Aufbau entsprechender technischer Infrastrukturen

Übergreifende Ziele des Projektes INTELE bestehen in der Erprobung und Beförderung einer leibhaftig erfahrbaren Weltbürgerschaft auf der Grundlage des horizontalen Verknüpfungspotenzials von Internettechnologien



_in der Schaffung historisch neuartiger öffentlicher Räume als kommunale Orte mit globaler Präsenz (Global-Community-Locations)
_in der transnationalen und transkontinentalen Begegnung unterschiedlichster Kulturen, Lebens- und Wahrnehmungsweisen sowie kĂĽnstlerischer Konzepte
_in der Herstellung von Querverbindungen zwischen leibhaftiger Präsenz, Telepräsenz und „Avapräsenz“ (© K. Nicolai; von Avatar oder Stellvertreter/Charakter/Maske) innerhalb virtueller Netz- und Spielumgebungen (z.B. Second Life)
_in der Erforschung und Herstellung modellhafter interaktiver „Bühnen“ eines „Theaters“ des 21. Jahrhunderts, das neue Relationen zwischen Leiblichkeit und Virtualität ermöglicht (Tele-Stage-Project)
_in der transdisziplinären Anwendung, Erprobung und Entwicklung neuer Technologien zur Entwicklung von multiperspektivischen, relationalen und nonlinearen Kommunikations-, Wahrnehmungs- und Interaktionsmöglichkeiten als Voraussetzung für eine bewusste und aktiv gelebte Weltbürgerschaft
_in der Relativierung von Totalitarismus, Dualismus und (nationalem/ethischem/ individuellem) Egozentrismus sowie den zugrunde liegenden linear-kausalen Denkmustern innerhalb zentralperspektivischer politischer Ordnungen.

Die Tele-Plateaus als performative Versuchsanordnungen zur CYNETart_07
Die performative Installation Tele-Plateaus untersucht und verknüpft unterschiedliche irdische und „elektronische“ virtuelle Raum-Zeit-Situationen. Die erste komplexe Umsetzung des Projektes Tele-Plateaus ist in Hellerau und an anderen Orten in der Welt vom 21. bis 25. November 2007 als offene, frei begehbare transnationale/transkontinentale Installation zur virtuellen Bild-Klang-Interaktion zwischen Besuchern der CYNETart und der vernetzten Orte geplant. Jeweils von 20.00 bis 23.00 Uhr bildet das Hellerauer Tele-Plateau einen Aktionsraum für experimentelle künstlerische Performances, während tagsüber die „Plateaus“ als Installation frei begehbar sind. Am Hauptort der transnationalen/ transkontinentalen Veranstaltung – im Festspielhaus Hellerau – werden die Aktionen an den in Echt-Zeit telepräsenten Orten als audiovisuelle Prozesse in die multidimensionale Installation Tele-Plateau integriert.

global-body-presence - erste telematische Versuchsanordnung


_basiert auf einer netzgestützten Echt-Zeit-Verknüpfung von leibhaftig (Präsenz) begehbaren/ erforschbaren/ erfahrbaren Plateaus im Festspielhaus Hellerau sowie in weiteren Städten Europas, Amerikas und Australiens. Bei der ersten telematischen Versuchsanordnung liegt der Schwerpunkt auf der Wahrnehmung von persönlicher Präsenz durch einen virtuellen Interaktionsraum hindurch. Durch die Tele-Plateaus werden zeitgleiche Aktionen innerhalb unterschiedlicher Zeitzonen der Welt in ihrer tatsächlichen Synchronizität wahrnehmbar.


Die Versuchsanordnung im Rahmen der CYNETart_07 besteht aus sechs vernetzten Plateaus mit mindestens je einem physischen Aktionsraum an den jeweiligen Orten und einer zumindest in Hellerau komplett nach multiperspektivischen Gesichtspunkten angeordneten audiovisuellen Telepräsentation der jeweils virtuellen Plateaus.


Die vernetzten Orte und dortigen Aktionen erscheinen im Festspielhaus als virtuelle Ereignisse in Form von Videoprojektionen sowie bewegungsabhängigen auditiven und visuellen Prozessen. Innerhalb der ersten telematischen Versuchsanordnung zur CYNETart_07 ist die Verknüpfung des Tele-Plateaus im Festspielhaus Hellerau mit technisch ähnlich konfigurierten Plateaus in Städten wie St. Petersburg, Wroclaw, Prag, Coventry und London sowie Melborne, Toronto und Columbus geplant.


First Life & Second Life - zweite telematische Versuchsanordnung_ermöglicht Verknüpfungen zwischen leiblich-körperlichen Aktionen mit virtuellen Spielumgebungen (Figuren, Charakteren, Umgebungen, Avatare) unter Leitung des von der Sächsischen Kunstministerin 2007 an die TMA berufenen Artist-in-Residence-Stipendiaten Friedrich Kirschner. Damit werden aktuelle Entwicklungen der körperlichen Interaktion mit virtuellen Spielumgebungen (Game-Plateaus) aufgegriffen und bezüglich einer Erweiterung der sozialen Interaktion und leiblichen Präsenz untersucht.



Das betrifft die Echt-Zeit-Steuerung von Tools (Werkzeugen) als Basis für unterschiedlichste Verknüpfungen zwischen leiblich-körperlichen Bewegungen und der Generierung von virtuellen Spielumgebungen und Spielakteuren. Zugleich untersucht das Projekt Möglichkeiten einer Integration und Transformation der Tele-Plateaus auch innerhalb der Netz-Plattform Second Live.

Das bedeutet in einer ersten Arbeitsphase die Etablierung der globalen physischen Veranstaltungsorte als rein virtuelle „Liegenschaften“ und „Architekturen“ sowie die Möglichkeit der Verknüpfung von leibhaftigen Aktionen z.B. im Tele-Plateau des Festspielhauses mit Bewegungen von Avataren in einem Virtuellen Festspielhaus.

In einer zweiten Arbeitsphase könnte ein virtueller Raum im Netz etabliert werden, der auf universale Weise alle Aktionen innerhalb vernetzter Tele-Plateaus in ein multidimensionales Virtual-Plateau transformiert. Dies wäre zugleich eine mögliche Darstellungs- und Kommunikationsplattform des in den nächsten Jahren zu entwickelnden Projektes International Network Telematic Environments (INTELE).

body-time-lines - die dritte telematische Versuchsanordnung


_basiert auf einer in Echt-Zeit „dramaturgisch“ gesteuerten Überlagerung unterschiedlicher Zeitebenen innerhalb eines performativen Prozesses.

D.h. die Performer/Besucher erhalten die Möglichkeit, sich mit bereits realisierten, mehr oder weniger langen, früheren oder späteren Sequenzen ihrer Performance erneut oder mehrfach zu konfrontieren. Innerhalb der Versuchsanordnung erscheint der leiblich präsente Akteur gleichzeitig auf weiteren unterschiedlichen virtuellen Zeitebenen, wobei er diese in den leibhaftigen performativen Prozess integriert. Die Verbindung der unmittelbaren Präsenz des Performers mit vergangenen, aber virtuell re-präsenten Bewegungen/Handlungen bildet einen Möglichkeitsraum, in dem neue Impulse, also (zu-)künftige Präsenzen aufscheinen. Dies soll z.B. auf der Basis der Software Calypso von Frieder Weiß und der bereits 2006 an der Akademie der Künste entwickelten performativen Installation „I, Myself And Me Again“ von LaborGras (CH/D) umgesetzt werden.

Wahrnehmung von Zeit-Räumen und Raum-Zeiten innerhalb eines multidimensionalen Interaktionsraumes Das in der Art einer mehrdimensionalen Schleife von Dominik Rinnhofer entwickelte, möglicherweise den ganzen Saal des Festspielhauses mit seinen Nebenbühnen erfassende multiperspektivische Environment (Re-Präsentations-Raum) soll innerhalb der drei Versuchsanordnungen unterschiedlichste Konfigurationen von audiovisueller Präsenz zwischen physischen Räumen/Körpern und weiteren virtuell präsenten Räumen/Körpern sowie elektronischen virtuellen (Spiel-)Umgebungen/Avataren herstellen. Dabei ermöglicht das bildnerische Environment unterschiedlichste, multiperspektivisch realisierbare Raum-Zeit-Konfigurationen wie

_Performative leibhaftige Anwesenheit
_netzgestützte Telepräsenz (anwesende Abwesenheit) und
_„Avasenz“ (abwesende Anwesenheit: Avatare in Spielumgebungen oder Echt-Zeit-Generierung von vergangenen performativen Prozessen)

Das Hellerauer Tele-Plateaus ist in diesem Sinne eine Versuchsanordnung zur Erweiterung der sinnlich-leiblichen Wahrnehmung von unterschiedlichen physischen und virtuellen Raum-Zeit-Dimensionen. Damit bezieht sich die CYNETart_07 auch auf Erkundungen eines erweiterten Körper- und Weltbildes sowohl der Gründer des Hellerauer Festspielareals wie auch des nachfolgenden Dessauer Bauhauses (Schlemmer). Der 2006 wieder hergestellte historische Festspielsaal des ersten „Theaters“ ohne separierter Bühne soll auch im Sinne von Appia, Dalcroze, Tessenow, Wigman und Palucca wie des „Bauhäuslers“ Oscar Schlemmer in einen zeitgemäßen „Experimentalraum“ zur Erkundung von künstlerisch und technologisch neuen Möglichkeiten der leiblichen Raum-Zeit-Wahrnehmung sowie des körperlichen Ausdrucks verwandelt werden.

D.h. das in sich stabile räumlich-technische Environment ermöglicht die Entfaltung unterschiedlicher „Kanäle“ von „Präsenz“, “Telepräsenz“ sowie “Avasenz“ und damit auch die Realisierung unterschiedlicher künstlerischer Konzepte und Experimente innerhalb einer Installation/Umgebung/Architektur als multidimensionaler Spiel-, Projektions- und Klangraum.

© Klaus Nicolai, 2007