Förderpreis der Kunstministerin 2010


dotiert mit 10.000 Euro

Verena Friedrich ↲ | TRANSDUCERS ↲

Modulares System

Köln, 2009

Statements der CYNETART-Jury


Sonia Cillari ↲

In ihrem Bestreben, biowissenschaftliche Prozesse nachzuahmen, spielt Friedrich mit den verschiedenen Dimensionen der Veränderung der Natur als einem Hauptthema der westlichen Kultur. Mit Hilfe der physikalischen Eigenschaften der Energie-Umwandlungen und Übertragung von Informationen von Wandlern, liegt die Stärke dieser Arbeit in ihrem Potenzial, die kulturelle Maschinerie in Bezug auf eine ‚einzigartige’ technologische Interpretation von Identität zu demaskieren.

Werner Jauk ↲

Durch das Transzendieren des semiotischen Modells, dass Wirklichkeiten aus Zeichen entstehen, die jeweils Aspekte der Realität repräsentieren, hat die Digitalkultur als erste eine Stufe erreicht, auf der die Möglichkeit existiert, jegliche Wirklichkeit aus immateriellen Codes zu erschaffen, ohne dass ein Bezug zu bestimmten Aspekten der Wirklichkeit zu bestehen hat ... trotz der Verwendung von technischen Instrumenten und Daten zur Erschaffung von Wirklichkeiten. TRANSDUCERS spiegelt eine vorrangig technologisch basierte Vorstellung von Wirklichkeit wider: Einzigartige Klänge werden lediglich als die technische Darstellung von Identität verstanden, die auf einigen auswertbaren Charakteristika des Menschen oder des menschlichen Lebens basiert ... obwohl TRANSDUCERS sensorisch wahrzunehmen ist, macht es bewusst, dass sich die Installation lediglich mit einer Darstellung von Daten des Lebens auseinandersetzt ... trotz der hierdurch erschaffenen Illusion, (menschliche) Realitäten präsent zu machen, zeigt TRANSDUCERS die eingeschränkte Wirklichkeit auf, die darin besteht, dass man höchstens ihre Konstruktion in einem gewissen Maße verstehen kann. TRANSDUCERS dekonstruiert den weit verbreiteten Glauben an die Machbarkeit ... die Illusion, dass das Zusammensetzen von verschiedenen analytisch erhobenen Werten von Codes zu miteinander vergleichbaren Wirklichkeiten führt ...

Auf diese Weise ist »Transducers« ein bemerkenswertes kritisches Gegenstück zu aktuellen Bio-Code-Medienkünsten ...

Klaus Nicolai ↲

Der von Verena Friedrich entwickelte Dauerwandler beeindruckt zuerst durch seine stringente Qualität als physische Installation. Winzige, fast unsichtbare Haare bilden innerhalb von Glaszylindern elektrische Widerstände. Kein Haar gleicht in seinem elektrischen Widerstandswert dem anderen, unverwechselbar wie der genetische Code. Die Künstlerin lässt die eingespannten Haare auf Basis von medialen Transformationen ganz unterschiedlich klingen. Ein wunderbares Bild vom Spiel zwischen Naturgesetz und Individualität.

Marlon Barrios Solano ↲

In TRANDUCERS vermittelt Verena Friedrich eine Hybridität, die Elemente der Wissenschaft und der Kunst, des Biologischen und der Laborapparaturen verschmelzen lässt und in feinen Geräuschen zugleich die Leitfähigkeit zwischen Beiden als auch den strukturellen (molekularen) Unterscheidungsmoment der biologischen Gewebestruktur bejubelt. Elektrizität wird umgewandelt vom Biologischen..


Artist-in-Residence-Stipendium der Kunstministerin 2011


Anke Eckardt ↲ | ’ ! ’ ↲

Klangskulptur

Berlin, 2009

Statements der CYNETART-Jury


Werner Jauk ↲

In der Regel denken wir in Kausalitäten, die lediglich eine aus unserer Körper-Umwelt-Interaktion entstehende Metapher sind. Die Digitalkultur oder die Schaffung von Wirklichkeiten lediglich aus immateriellen Codes zeigt uns die Grenzen unserer vom Körper ausgehenden Art des Denkens auf. ' ! ' setzt sich mit dieser empirisch begründeten Interpretation von Daten auseinander sowie mit unserem ökonomischen Zugang, den wir durch die Reduktion von Daten im Rahmen unserer Wahrnehmung praktizieren. ' ! ' lässt uns diese Art der konstruktivistischen Wahrnehmung erfahren und macht uns unser Denken in Kausalitäten bewusst, obwohl möglicherweise lediglich parallel und unabhängig stattfindende Ereignisse existieren (Levy). Angeregt durch die unmittelbare sensorische Erfahrung bringt uns ' ! ' dazu, über die Unangemessenheit des mechanistischen Paradigmas für die Digitalkultur nachzudenken.


Klaus Nicolai ↲

Der Künstlerin gelingt es, Zusammenhänge zwischen unsichtbaren akustischen und sichtbaren physikalischen Ereignissen mit Hilfe von medialen Transformationen wahrnehmbar zu machen. Dabei bildet eine herbeigeführte, expressive Konvergenz in Form der Ausbreitung von Flüssigkeiten und Schallwellen zu einer ästhetisch überraschenden Überschreitung ins scheinbar Chaotische. Damit verweist die Versuchsanordnung auch auf das nur schwer oder kaum Beherrschbare oder Berechenbare auch in menschlicher Naturbeherrschung.

Marlon Barrios Solano ↲

Anke Eckardt entwickelt clevere Eventualitäten mit einfacher subjektiver Theatralik und erschafft damit dramatische kausale Illusionen, die uns unseren eigenen Denkapparat vor Augen führen und uns an Gregory Batesons berühmteste Aussage erinnern: Der Geist ist die Struktur, die alles verbindet.


CYNETART-Preis der Dresdner Stiftung Kunst & Kultur der Ostsächsischen Sparkasse Dresden 2010


Jannis Urle Kilian Kreft ↲ | Post Mortem ↲

interaktive Installation

Frankfurt a. M., 2010

Statements der CYNETART-Jury


Klaus Nicolai ↲

Post Mortem spielt sehr anschaulich mit einem Phänomen, dass unsere Zivilisation fast gänzlich aus der Wahrnehmung sowie aus der Leichenentsorgung durch Verbrennung verdrängt hat: den Tod und die Auflösung des Leibes nach dem Sterben. Jannis Kreft benutzt eine rechteckige Projektionsfläche als Interface für den Zerfallsprozess zwischen dem Arm eines Users und dessen Ausstrahlung: Besucher können am eigenen Körperteil erfahren, wie die organischen Strukturen des eigenen Lebens im Prozess des Zerfalls, also nach dem Tod, erscheinen.

Werner Jauk ↲

Medienkunst beschäftigt sich mit den Implikationen der Wirklichkeits-Konstruktion durch die Interaktion eines technologisch extended body mit einer – durch diese Interaktionen – virtualisierte Umwelt. Post Mortem geht einen Schritt weiter und erweitert den Körper in den Bereich des Todes. Die Arbeit macht erfahrbar, was allgemein nicht vorstellbar ist (...). Sie erweitert die Machbarkeit über den Bereich des Lebens hinaus – zugleich erweitert sie allgemeine Moralvorstellungen aus der Sicht der Dinge und überschreitet die Grenzen eventorientierter Gallerien-Medien-Kunst in das Alltagsleben – besser: sie überschreitet die Grenzen zu dem, was aus dem Alltagsleben ausgeschlossen wird, was außerhalb der Grenzen liegt, was tabuisiert ist...


CYNETART-Preis der T-Systems Multimedia Solutions 2010


André und Michel Décosterd (Cod.Act) ↲ | Cycloïd-E ↲

Klangskulptur

Lausanne/CH, 2009

Statements der CYNETART-Jury


Sonia Cillari ↲

Der CYNETART-Preis 2010 geht an Cycloïd-E, eine Arbeit des Schweizer Künstlerduos Cod.Act, für dessen Eleganz in der Nachbildung des ‚Raumes der Klangbahnen’. Dies ist eine beeindruckende kinetische Skulptur, die eine Zykloidenpendelkurve nachvollzieht. Metallische, mit Klangquellen ausgestattete Rohre, die sich in sehr geschmeidiger Bewegung befinden, scheinen die Gesetze der Gravitationsphysik durch einen materialen Zustand des Lebendig- und Aktiv-Seins zu ersetzen. Die horizontalen Segmente des Zykloidenpendels resonieren ihren Rotationen entsprechend im Raum.

Werner Jauk ↲

Cycloïd-E zeigt, dass in der kodierten Wirklichkeit sogar die Schwerkraft überwunden werden kann. Sieht man die Installation, das gewaltige Gebilde und dessen Bewegungen, so konzentriert sich die kognitive Wahrnehmung zunächst auf diese grundlegende physikalische Dimension. Auf Grund der (relativen) Unabhängigkeit von Schall und Schwerkraft wird Klang eingesetzt, um die Installation hörbar zu machen ... wo die Bewegung einen Raum von Umlaufbahnen sichtbar macht, verlässt ihr Klang die Grenzen der auf der Schwerkraft beruhenden Raumwahrnehmung und erschafft somit einen dynamischen Hörraum – von dem McLuhan bereits in den 1960er Jahren angenommen hat, dass er eine angemessene Metapher für datenbasierte Kommunikation ist – zugleich ist die Installation hochgradig immersiv: Der Klang wird körperlich wahrgenommen, gemäß dem Konzept der akusmatischen Musik, in welcher der Zuhörer ein hörend teilnehmender Körper ist.

Klaus Nicolai ↲

Cycloïd-E verbindet die optischen Dimensionen einer dreigliedrigen, horizontal universal-dynamischen Installation mit einer ebenso universalen Klang-Raum-Komposition, wobei die visuelle Formendynamik der Installation x-dimensionalen Klangräumen (Parameter Richtung Geschwindigkeit, Klangqualität usw.) in der Ausbreitung von Schallwellen entspricht. Ein herausragendes künstlerisches Werk im Sinne von komplexen integralen Gestalt- und Kompositionsprozessen. Ein aperspektivischer (Jean Gebser) Tanz der Phänomene auf Basis komplexer digitaler Steuerungstechniken.

Marlon Barrios Solano ↲

CycloĂŻd-E ist eine tanzende Klang- und eine klingende Tanz-Skulptur, welche die entstehende Resonanz durch ihre Bewegung in Bahnen artikuliert. Sie stellt neue Dimensionen des Sensoriums robotischer oder kinetischer Skulpturen dar, mit ĂĽberraschenden hypnotischen Rekonfigurationen aus jenseitigen polymorphen Harmonien und unheimlichen GefĂĽhlseindrĂĽcken.