HOLOstage
be your own AVATAR

HOLOstage HOLOstage ist ein Erweiterungsgedanke zu dem Projekt European Tele-Plateaus. Der eigentliche Hintergrund fĂŒr dieses Projekt ist die 3D-Darstellung der TĂ€nzerInnen, die in diesem Falle nicht nur Positionsdaten und die Silhouette der virtuellen Performer ĂŒbermitteln, sondern jetzt ihre gesamten Gelenkkoordinaten, entweder mit Hilfe von Motion Capturing im Kamerainterface oder mit Kamerasystemen, die durch PrimeSense-Tiefensensoren ein dreidimensionales Mapping ermöglichen. Diese Koordinaten des gesamten Körpers erlauben es dann in der virtuellen Auflösung mit EchtzeitĂŒbertragung die TĂ€nzerInnen als 3D-Charaktere zu entschlĂŒsseln.
In der UmsetzungsÀsthetik ist es ein Wireframe-Modell, welches dann stellvertretend die Anwesenheit der TÀnzerInnen prÀsentiert und in neuer Form prÀsent macht. Dieses Wireframe beinhaltet in der Modelldarstellung die Abstraktion eines virtuellen Erscheinungsbildes.
3D-Objekte oder virtuelle Avatare, welche die Stellvertreterobjekte fĂŒr die PerformerInnen auf der holographischen BĂŒhne sind, brauchen dann natĂŒrlich auch eine Erweiterungsform in der Visualisierung, um wirklich als dreidimensionale Interaktionsobjekte fĂŒr die realen TĂ€nzerInnen zu VerfĂŒgung zu stehen.
Umsetzung fĂŒr diese neue Form der dreidimensionalen Anwesenheit ist die 360Âș holographischen Projektion, ein interaktives Cheoptics mit EchtzeitĂŒbertragung.
Wir beabsichtigen in der endgĂŒltigen Performancesituation, dass die Real-TĂ€nzerIn mit drei oder vier Avatars interagiert und ĂŒber Klang- und Bildmodulation Kontakt aufnimmt. Indem sie mit diesen Anderenorts-Performerinnen improvisiert und interaktive Konstellationen auslotet, vermittelt sie die simulierte Anwesenheit der virtuellen TĂ€nzerInnen naheliegend und unmittelbar und die eigenen tĂ€nzerisch, kreativen BewegungsablĂ€ufe gestalten sich rĂŒckwirkend neu.
Was ist eine Interaktion im virtuellen Umgebungsraum, wenn sie fĂŒr den Protagonisten keine erweiterte Selbsterfahrung vermitteln kann und fĂŒr den Zuschauer keine immersive Erlebniserweiterung entsteht?

Foto-Impressionen
HOLOstage at CYNETART 2014; photos by David Pinzer




HOLOstage Produktionsteam / Trans-Media-Labor Hellerau
Jo Siamon Salich (Konzeption, Projektleitung, Produktionsdesign), Frieder Weiß (Softwareentwicklung), Matthias HĂ€rtig (Programmierung), Johanna Roggan (Tanzperformerin), Katharina Groß (Dokumentation, Methodenentwicklung), Thomas Dumke (Projektkoordinierung)

HOLOstage-Phase I / CYNETART 2014 intro performance
Tanzperformerin Johanna Roggan
KlangkostĂŒme vom DAP Lab London
MichĂšle Danjoux (design, art direction)
Johannes Birringer (Choreographie)

HOLOstage ist eine Produktion der Trans-Media-Akademie Hellerau
im Rahmen der europĂ€ischen Kooperationsinitiative Metabody – Media Embodiment TĂ©khne and Bridges of Diversity
Partner: HELLERAU – EuropĂ€isches Zentrum der KĂŒnste Dresden,
DAP-Lab – Brunel UniversitĂ€t West London ,
pms professional media service Dresden

Gefördert von der EuropÀischen Kommission durch das Programm KULTUR, der Landeshauptstadt Dresden sowie der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.

Jörg Sonntag
September 2014

Performances zur CYNETART 2014
Donnerstag, 13. November, 21.30 Uhr
Freitag, 14. November, 20.30 Uhr
Samstag, 15. November, 20.30 Uhr
Eintritt mit Ausstellungsticket

Video-Impression einer Performance
HOLOstage-Performance im Rahmen CYNETART 2014. Es tanzt Johanna Roggan.





Installation 2014
HOLOstage Stufe 1 war als Installation wÀhrend der Ausstellungszeiten der CYNETART 2014 im Festspielhaus Hellerau besuchbar.

http://www.cynetart.de/holostage2014

Theoretisch-philosophischer Entwicklungshintergrund

Neben der dreidimensionalen Avatar-Projektion in den dreidimensionalen Umgebungsraum hat mich bei der Projektentwicklung auch der philosophische Denkansatz des holographischen Weltbildes oder besser das holographische Modell unserer RealitÀt interessiert. Dieses Modell, welches in seiner Wissenschaftlichkeit auch eine Imagination und eine Intuition bildhaft vermittelt, strahlt eine gewisse Faszination aus, der man sich schwerlich entziehen kann und die sich durchaus mit der Faszination einer rÀumlich-virtuellen Avatar-Projektion vereinbaren lÀsst.

Hintergrund dieses holographischen Modells oder Nachbild unserer RealitÀt ist im eigentlichen die Quantenphysik. Das Modell wurde zuerst vom Physiker David Bohm entwickelt, der zusammen mit Albert Einstein an der UniversitÀt von Princeton tÀtig war. Bohm begann in den Bereichen Quantenmechanik und RelativitÀtstheorie zu forschen. Zusammen mit Karl Pribram - einem Neurowissenschaftler der UniversitÀt von Stanford - entwickelte er dann das holographische RealitÀtsmodell.

Pribrams Untersuchungen waren darauf spezialisiert, wie Erinnerungen im Gehirn gespeichert werden. Seine holographische Theorie besagt, dass das Gehirn Informationen auf die gleiche Weise speichert, wie Informationen in einem Hologramm gespeichert werden. Einer der GrĂŒnde, warum beide AnsĂ€tze zueinander gefunden haben war, dass die gleiche mathematische Berechnung - genannt Fouriertransformation - die zur Berechnung von Hologrammen benutzt wird, auch im menschlichen Gehirn zum Einsatz kommt, um Informationen ĂŒber SinneseindrĂŒcke (sehen, hören, tasten) zu verarbeiten. Durch die Vereinigung beider AnsĂ€tze entstand schließlich das holographische Modell unserer RealitĂ€t.

Das Hologramm, welches seine DreidimensionalitÀt dadurch entwickeln kann, dass die Bildinformation aus einem mehrfachen reflektierten Laserstrahl entsteht, hat die Eigenschaft, dass bei der Zergliederung des 3D- Nachbildes, jedes einzelne Teil des zerbrochenen Hologramms wiederum das gesamte 3D-Bild erzeugen kann. Das einzige, was in diesem Fall verloren geht, ist die Auflösung bzw. BildschÀrfe, die abnimmt, umso kleiner das Teilfragment ist.

Eine Erkenntnis, die aus dem holographischen RealitĂ€tsmodell abgeleitet wurde ist, dass man sich unsere RealitĂ€t besser als ein Bild anstelle eines Festkörper-Konstrukt vorstellen sollte. Die RealitĂ€t, die wir sehen, entspricht vielleicht eher einer dreidimensionalen Projektion, Ă€hnlich wie ein Schatten der zweidimensionalen Projektion eines dreidimensionalen Körpers. Eines der unerklĂ€rten PhĂ€nomene der Quantenphysik von David Bohm ist die scheinbar direkte Kommunikation ohne jeglichen Zeitverzug zwischen zwei physikalischen Teilchen, die sich in großer Entfernung voneinander befinden. Nach der RelativitĂ€tstheorie, kann sich nichts schneller im Raum bewegen, als die Lichtgeschwindigkeit. Aber Experimente zeigen, dass die Information zwischen zwei Teilchen ohne Zeitverzug ausgetauscht wird.

Um diese dreidimensionale Bezugssetzung zu erlĂ€utern, entwickelte Bohm die Analogie des sogenannten Aquarium-Modells. In diesem Modellversuch positionierte er zwei Videokameras aus unterschiedlichen Perspektiven vor ein Aquarium, in welchem ein Goldfisch schwimmt. Er ĂŒbertrĂ€gt die Aufzeichnung der beiden Kameras auf zwei Monitore, die sich in einem anderen Raum befinden und zeigt es einem Probanden, der die Versuchsanordnung nicht kennt. Die Aussage des Besuchers, der sich vor die Monitore setzt, wird immer eine Entsprechung fĂŒr die naheliegendste Assoziation sein. Er sieht zwei Fische in zwei unterschiedlichen Aquarien. Wenn sich die Fische auf dem Monitor zu bewegen beginnen, scheint es so, als ob die beiden Fische miteinander kommunizieren, um ihre Bewegungen aufeinander abzustimmen. Erst wenn dem Beobachter der Versuchsaufbau erklĂ€rt wird, wird klar, dass es sich auf beiden Monitoren um den gleichen Fisch handelt.

Die Theorie von David Bohm besagt, dass die dreidimensionale RealitĂ€t in der wir leben, nur die Projektion einer tieferen RealitĂ€t ist. Auf der Ebene dieser tieferen RealitĂ€t kann eine Kommunikation augenblicklich und ohne Zeitverzug erfolgen, denn auf dieser tieferen Ebene sind alle Teilchen miteinander verbunden, weil sie alle Teil des gleichen Hologramms sind. Bohm denkt, dass jegliche Trennung, die wir in unserer RealitĂ€t empfinden auf einer falschen Vorstellung basiert und wir uns ĂŒber die Zusammengehörigkeit auf der tieferen Ebene nicht bewusst sind. Durch dieses holographische RealitĂ€tsmodell lassen sich auch paranormale PhĂ€nomene wie Telepathie oder Telekinese erklĂ€ren. Wenn es einem Menschen gelingt, auf gedanklicher Ebene bewusst auf die tieferen RealitĂ€tsebenen zuzugreifen, könnte er nicht nur Zugriff auf die Gedanken eines anderen Menschen bekommen, sondern auch einen Gegenstand bewegen, indem er auf der tieferen Ebene das Modell des Gegenstands manipuliert, bevor es in unsere RealitĂ€t projiziert wird.

Dieses Modell hat ausgesprochen viel Einflussnahme auf meine Projektentwicklung ausgeĂŒbt.

Zum einen sind es die Perspektiven der Kameras in der Aquariums-Versuchsanordnung, die mich, neben der technisch notwendigen Übertragungszuordnung,
dazu gefĂŒhrt haben das holographische 3D-Abbild des Avatars aus den vier Grundperspektiven in das Hologramm zu ĂŒbertragen, um eine dreidimensionales EchtzeitĂŒbertragung zu realisieren. Zum anderen ist es die Mapping-Methode aus der sich der Avatar in seiner virtuellen RealitĂ€t etabliert.

Da unser Entstehungsprozess eines abgebildeten Avatars in der holographischen Pyramide auf einer Particle-AusschĂŒttung beruht, die ein Wireframe-Objekt erzeugt, sind wir mit unserer Versuchsanordnung nahe an einem virtuell-digitalen Teilchenprozess.

Dadurch, dass der Emitter, der fĂŒr die Particle-AusschĂŒttung verantwortlich zeichnet Anziehungsparameter hat, wird es möglich, den holographische Avatar erst durch die Anwesenheit eines Performers im System entstehen zu lassen. Der Performer muss im System auch Bedingungen erfĂŒllen, um die Körperlichkeit seines Avatar zu erhalten. Dieses Projekt ist ein PlĂ€doyer fĂŒr die Entschleunigung. Erst in der konzentrierten Langsamkeit der eigenen Körperbewegungen ist die Kommunikation mit dem Avatar stabil. In der Dynamik wird der Avatar zerstört und fĂŒgt sich erst wieder zu einem Körpernachbild wenn eine Ruheposition gefunden wird und diese Ruheposition auch ausgehalten werden kann.

Die ungeheuere Beschleunigung der AblĂ€ufe in unserer Gesellschaft fĂŒhren ganz sicher dazu, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die tieferen Ebenen unserer Kommunikations- und KoordinationsfĂ€higkeit zu erkennen und zu leben. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass eine erweiterte ImmersivitĂ€t durch die Vervielfachung unserer SinneseindrĂŒcke stattfinden kann. Ich behaupte das Gegenteil.

I3, das Virtuell Reality Triangle setzt sich zusammen aus den PolaritĂ€ten: Immersion, Imagination und Interaktion. Es beschreibt ĂŒber diese drei Zuordnungen, wie intensiv wir in eine virtuelle Umgebung „eintauchen“ können und laut Definition die ÜberfĂŒhrung in einen Bewusstseinszustand, bei dem sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert und die Identifikation mit dem Selbst (dem Avatar) in der virtuellen Welt vergrĂ¶ĂŸert. In unserem Modellversuch einer Interaktion mit einem holographischen Nachbild wird aber der Avatar auch Einfluss nehmen auf den Bewusstseinszustand der Person in der realen Welt.

Jo Siamon Salich
September 2014

Video-Dokumentation HOLOstage Phase 1