Music of Life

»Music of Life« ist ein Music&Science-Projekt der Künstlergruppe [[PI-XL]]. Erstmalig werden die in der Biomathematik verwandten Modelle der zellularen Automaten auf Basis der menschlichen Stimme in Musik umgesetzt. Dies eröffnet einen völlig neuen Weg zu einer performativen Kompositionspraxis!

Wie sich Vogelschwärme ohne zentrale Steuerung bewegen oder wie sich einzelne Zellen zum sozialen Organismus einer Amöbe verbinden, lässt sich mit zellularen Automaten beschreiben. Diese sind als räumlich angeordnetes Netzwerk vorstellbar, in dem die Knoten nur lokal interagieren. „One might imagine that perhaps the whole history of the universe in spacetime could be represented by a giant four-dimensional network.“[1] »Music of Life« arbeitet mit der einfachsten Form: einem eindimensionalen Automat. Wie in einer Perlenkette sind die Chormitglieder gereiht, die nach festgelegten Regeln auf ihre Nachbarn reagieren und agieren. Eine Regel lautet beispielsweise: „Wenn exakt einer meiner Nachbarn getönt hat, töne ich im nächsten Zeitschritt. Ist dies nicht der Fall, bleibe ich stumm, oder ich verstumme.“ Eine einfache Veränderung der Regel bewirkt ein völlig anderes Verhalten: Vokalisen und Wörter bewegen sich so von Sänger zu Sänger, bleiben oder verschwinden, um an einer anderen Stelle des Raumes wieder aufzutauchen.

Nicht ein Dirigent oder fertige Notenskripte sind somit entscheidend für das Entstehen einer sich in Zeit und Raum ausbreitenden Live-Komposition, sondern Regeln für das genaue Interagieren, Zuhören und Reagieren auf den Nachbarn innerhalb der Chorgruppe. Sowohl der performative Ansatz, als auch das gezielte Arbeiten mit raumzeitlicher Strukturbildung unterscheidet »Music of Life« von bisherigen auf zellularen Automaten basierenden Kompositionstechniken, die diese Modelle mehr oder weniger als aleatorisch generatives Prinzip verwenden. „Interessant ist jedoch die Frage nach solchen Strukturen, die sich nicht im Raum als Wellenfront, sondern in Form von räumlich begrenzten Strukturen fortpflanzen, die in eine gewisse Analogie zu Elementarteilchen gesetzt werden können. Wir wollen solchen Gebilde Digitalteilchen nennen.“[2] Die Performance von »Music of Life« beruht auf wandernden Klängen, pulsierendem Licht und Körperbewegungen. Ein einführendes Referat über biomathematische Modelle sowie die Einbeziehung des Publikums ermöglichen größtmögliche Transparenz.

Für die Naturwissenschaft bietet »Music of Life« als sinnliches Erleben von Biomathematik eine neue Sichtweise auf die Arbeitsweise zellularer Automaten. Es entlarvt die Grundprinzipien der Modelle, die sich als Lebenszyklen beruhend auf Geburt, Bewegung, Überleben und Sterben beschreiben lassen.


[1] Wolfram, Stephen: A new kind of science, Champaign IL 2002, S. 482.

[2] Zuse, Konrad: Der Rechnende Raum. In: Elektronische Datenverarbeitung 8 (1967), S. 336-344, S.339.



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