Programm zur Eröffnung des Ersten virtuellen Platzes der Weltkultur

12. Juli 2003
zur Dresdner Museumssommernacht

18 bis 21.30 Uhr offenes virtuelles Environment: Vorschau für das Publikum

22.00 Uhr Eröffnung durch Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg

22.20 Uhr Performance „Seine hohle Form“ Palindrome Inter.media Performance Group (Nürnberg/USA)

22.40 Uhr Interaktives Environment „µZiclotron“ von Bertrand Merlier (F) | Tanz Udo Zickwolf (D)

23.00 Uhr Performance „Die letzte Reise“ Senselabor (A)

23.20 Uhr Interaktives Environment „Les pieds sur terre“ Jean-Marc Duchenne (F) | Tanz Udo Zickwolf (D)

ca. 23.40 Uhr offenes virtuelles Environment: Freigabe für das Publikum „Les pieds sur terre“ Jean-Marc Duchenne (F)

Projektbeschreibungen

Seine hohle Form

Ein Projekt der Palindrome Intermedia Performance Group
Tanz: Emily Fernandez (Australien), Robert Wechsler (USA)
Sound: Butch Rovan (USA)
Programmierung: Frieder Weiß (D)

Der Titel „seine hohle Form“ ist ein Fragment aus Rainer Maria Rilkes Gedicht „Gesichter“. Als Ausgangspunkt dieser interaktiven Arbeit steht er für die Herausforderung, ein Musikstück zu schaffen, dass nur existiert wenn sich ein Tänzer bewegt und einen Tanz zu schaffen, dessen Bewegungen beides sein müssen, funktionale, Musik auslösende Geste und gleichzeitig Element des Ausdrucks und der Gestaltung. Die Zusammenarbeit zwischen Musik und Tanz für dieses Stück war umfassend. Das heißt, Bewegung und Klang wurden nicht separat, sondern interaktiv geschaffen.

Die Choreographie wird durch die gleichzeitige Erstellung von Klängen durch Sensoren und Echtzeit-Synthese beeinflusst, im Gegenzug wird die Musik durch die Bewegung geformt. Es gibt keine musikalischen Einsätze für die Tänzer, da ohne ihre Bewegung die Musik entweder nicht existent ist oder aber keine Schlüsselelemente enthält. Diese Arbeitsweise zwang die Gruppe nicht nur zu einem bestimmten Grad der Improvisation, sie führte im Arbeitsprozess auch zu einer künstlerischen Rollenaufteilung: der Tänzer wurde zum Musiker, der Komponist zum Choreographen…

„Seine hohle Form“ ist nicht der erste interaktive Computer gesteuerte Tanz. Interaktiver Tanz hat einen längere Geschichte. Einen bedeutenden Beitrag dazu leisteten unter anderem die Arbeiten von David Rokeby, Richard Powall, Troika Ranch, Antonio Camurri. Die Arbeit kann aber im Hinblick auf die Komplexität der gestischen Identifikation durchaus als einzigartig bezeichnet.

µZiclotron [MuZiclotron]

Bertrand Merlier (F) http://tc2.free.fr/muziclotron/
Freiwillige gesucht!

Professor Tournasound von der Universität Lyon2 (Frankreich) untersucht seit einigen Jahren die Konsequenzen des Auftreffens von µSound [MuSound] -Partikeln auf den menschlichen Körper. Erst kürzlich entdeckte er einen revolutionären Prozess, der es erlaubt, die durch die Kollision frei gesetzte Energie sichtbar zu machen: die verschwindenen µSound-Teilchen erzeugen Klangwellen des µZic [MuZic]-Typus!

Das µZiclotron ist also ein Teilchenbeschleuniger: es erlaubt die Isolation der Soundkonstitution der Körperwellen unter µSound-Teilchenbeschuss.

Professor Turnasound sucht Freiwillige, die ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung stellen, damit er seine Theorien verifizieren kann.

Als Professor Turnasound: Bertrand Merlier (F), Komponist
Als wissenschaftliche Assistentin und „Versuchskaninchen“: Hélène Planel
Eine Produktion des Labors für µZic-Erforschung Thélème Contemporain, Frankreich

Die letzte Reise

Eine Performance von Senselabor
Leitung, Performance: Georg Hobmeier (A)
Sound: Gregor Ladenhauf (A)
Video: Magarita Stavraki (GR)

„Die letzte Reise“ ist der neueste Feldversuch der Gruppe Senselabor, die sich seit 1999 mit der Verbindung von interaktiven Medien und Performancekunst beschäftigt. Inspiriert durch die Begegnung zwischen Dante und Odysseus in der „Göttlichen Komödie“, durchwandert die Performance die Erinnerungen des Odysseus und die letzten Momente seines Lebens. Die Schatten der Vergangenheit werden für Odysseus ein letztes Mal lebendig, er durchwandert die Schlüsselpunkte seiner Existenz. Diese Projektionen seiner Vergangenheit werden durch audiovisuelle Elemente geschaffen, mit denen der Performer durch die Verwendung des interaktiven Interfaces EyeCon in Kontakt tritt. Die innere Welt des Odysseus wird ins Außen gestülpt und ein lebendiger Dialog zwischen der Körperlichkeit des Performers und den fiktiven Erinnerungen der Odysseus-Figur beginnt sich zu entfalten.

Les pieds sur terre
(Mit beiden Füßen auf dem Boden)
Jean-Marc Duchenne (F)

Man steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden, ist realistisch. Doch fließt eine Landschaft aus Steinen, Gras, Pflanzen, Tieren, Objekten unter den Füßen. Die Objekte verändern sich, übermalen den Untergrund abhängig vom Standort der Besucher. Der scheinbar so feste Boden verändert sich, löst sich auf. Der fließenden Landschaft angepasst erklingen realistische, sehr konkrete Klänge und Geräusche. Sie folgen der Geschwindigkeit der Bewegung im Raum. Auch die Klangkulisse bleibt nicht bestehen.

Eine lyrische Arbeit über Schein und Sein des eigenen Standpunktes.

Biographien

Jean-Marc Duchenne (F), Komponist, Video- und Multimedia-Künstler, geboren 1959, studierte in Dijon Musik/Musikwissenschaft und arbeitet seit 1981 im Bereich der acousmatic music. Seit 1994 lehrt er Digital- und Videotechnik und entwickelte mehrkanalige Verfahren für seine Klangfiguren in Konzerten und Installationen. Sein Hauptinteresse bei Installationen gilt dem Verhältnis der von ihm erschaffenen Universen zum öffentlichen Raum, wie er mit „Une brèche dans la Citadelle“ in Grenoble gezeigt hat.  http://petitsapercus.free.fr

Georg Hobmeier (A), geboren 1977 und aufgewachsen im Alpenglühen Tirols, studierte Schauspiel in Salzburg und Utrecht, sowie zeitgenössischen Tanz an der SNDO in Amsterdam; er arbeitete u.a. mit Urs Troller, Anne Bogart, Warner & Co. und Porkchop Productions und führt die Performancegruppe Senselabor an, die sich mit interaktiven Interfacesystemen im Theater- und Installationsbereich beschäftigt und deren erklärtes Ziel es ist, die sogenannte interaktive Kunst in das gelobte Land jenseits der reinen Interfacesituation zu führen. http://homex.subnet.at/senselabor/

Bertrand Merlier (F), geboren 1958, komponiert elektroakustische und Instrumentalmusik. Er lehrt an der Universität Lyon 2 und konzentriert sich in seiner Forschung auf Gesten-Interfaces für elektroakustische Musik sowie auf interaktive Musik und Klangverräumlichung. Seit 1986 trägt er zu den Aktivitäten von Thélème Contemporain (dem Produzenten einiger seiner musikalischen Realisationen) bei. Er erhielt viele internationale Preise.

Frieder Weiß (D) studierte technische Informatik und arbeitet als freiberuflicher Computeringenieur in Nürnberg. Aus der Verknüpfung seiner beruflichen Welten – er ist Jazzcellist – entstand seit 1995 die Arbeit mit elektronischen und computerbasierten Systemen. Zusammen mit dem Choreografen Robert Wechsler entwickelte er die Arbeit der Palindrome Inter-Media Performance Group zu einer der führenden Gruppen im Bereich interaktiver Tanz-Performance. Die aus der Arbeit mit Palindrome entstandene EyeCon video motion tracking-Software wird heute weltweit bei Performance- und Installationsprojekten eingesetzt. 2000 wurde er Leiter des Interaktionslabors am 01plus Institut der FH Nürnberg. Seine künstlerische Tätigkeit fokussiert sich zuletzt auf den Bereich interaktiver Klang- und Videoinstallationen.

Udo Zickwolf (D), geboren 1959 in Baden, erhielt seine Tanzausbildung 1983 bis 1987 an der Rotterdamse Dansacademie, danach arbeitet er als Tänzer, Choreograph und Tanzdozent unter anderem bei De nieuwe dansgroep, am Bremer Tanztheater und an der Tanzbühne Dresden. Er studierte in den letzten Jahren chinesische Medizin und ist Heilpraktiker.

Palindrome (D/USA)

Eine der führenden Kompanien die sich auf die Anwendung von Computern und neuen Technologien im Tanz-Performance Bereich spezialisiert haben ist die Nürnberger Gruppe Palindrome. In den letzten Jahren hat Palindrome eine Reihe von Computerprogrammen speziell für den Einsatz im Tanz sowie spezielle Tanzstücke mit interaktiver Computertechnik entwickelt. Unserer Meinung nach liegt das größte künstlerische Potential des Computers in der einzigartigen Fähigkeit ehemals unabhängige Medien zu verknüpfen und in der Möglichkeit, die künstlerische Arbeit auf verschiedenen Ebenen zu vereinigen – Menschen auf neue Art zusammenzubringen.

Menschen tanzen und musizieren seit über 10.000 Jahren. Die meiste Zeit bildeten Musik und Tanz eine Einheit. In den westlichen Kulturen ist diese Interaktivität, was das Performance-Medium Tanz betrifft, durch die weite Verbreitung moderner Aufnahme- und Wiedergabetechnik weitgehend verloren gegangen. Die meisten Tänze werden heute zu aufgezeichneter Musik getanzt. Im selben Zuge wurde auch die Rolle des Publikums auf Zusehen und Applaudieren reduziert. Könnte die aufkommende digitale Technologie Zeichen für eine „Umkehr in die Zukunft“ setzen, in der eine neue Interaktivität an die Stelle derjenigen tritt, die wir an frühere Generationen verloren haben?

Palindromes Interesse gilt der Interaktion. Erst die jüngsten Softwareentwicklungen für Musikkomposition, Choreographie, Klanggenerierung, Lichtdesign und Bildende Künste machen diese voneinander unabhängigen Kunstformen miteinander kompatibel. Über ein spezielles Computer-Kamera-System und über direkt am Körper befestigte Elektroden werden Musik- und Text-Samples, Bühnenlicht und Bildprojektionen gesteuert und stehen so in Interaktion mit den Bewegungen der Tänzer. Palindrome ist vor unterschiedlichstem Publikum in Europa, Südamerika und den USA aufgetreten.

www.palindrome.de

Pressemitteilung als Download (pdf): Programm zur Eröffnung des ersten virtuellen Platzes der Weltkultur



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