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Recombinant Media Labs – CineChamber
Die CYNETART ist hoch erfreut, Recombinant Media Labs (RML) mit ihrem Projekt CineChamber als ein „Labor innerhalb eines Festivals“ präsentieren zu dürfen. CineChamber ist eine kuratierte, nomadisch angelegte, intermodale Plattform unter der Künstlerischen Leitung und Kuratorenschaft von Naut Humon, mit Vance Galloway als Technischem Projektleiter und Barry Threw als Chief-Core-Programmierer. Recombinant Media Labs wurde mit dem Anliegen gegründet, die Qualitäten und das künstlerische Potenzial von Raum-Medien zu erforschen. Die Idee gründet auf dem medialen Arbeiten mit Sinnes- und Erlebniseindrücken (Experiential Engineering) und dem Erkunden der Prozesse, mittels derer sich die ästhetischen und technischen Grenzen von panoramischen Installationen, Surround-Kino und Mehrkanal-Audio-Video-Performances erweitern lassen. RML fungiert als Produzent und Präsentator von künstlerischen Arbeiten und Performances, die auf einer Synthese von verschiedenen Raum-Medien basieren, wie beispielsweise intermodale Werke, in denen Bild, Licht und Klang sowie diverse andere Medien im dreidimensionalen Raum zum Einsatz kommen.
Die CineChamber ist ein großer, gleichzeitig intimer, rechteckiger Raum-Apparat, der rundum mit einer bespielbaren Oberfläche ausgestattet ist. Mit einem Ausmaß von 24 mal 36 Metern passt er in Auditorien, auf Theaterbühnen und in Konzerthallen überall auf der Welt.
Diese Plattform bietet die Möglichkeit für extensive, immersive Intermedia-Produktionen und kann von Künstlern sowie anderen Innovatoren auf vielfältige Weise genutzt werden. Projekte in der CineChamber bewegen sich zwischen umfassender Synästhesie und telegener Performance-Umgebung sowie zwischen programmierten Ausstellungsprojektionen und Echtzeit-Installationen, die mit Live-Musik interagieren. Mit der CineChamber von RML ist internationalen Künstlern eine Gelegenheit dazu geboten, sich mit ihren kreativen Impulsen an die vorderste Front des akustischen, optischen und cinematischen Ausdrucks zu begeben und ihre Arbeiten in einer exquisiten Umgebung aufzuführen, die alle Möglichkeiten bietet. Zahlreiche renommierte Künstler haben bereits Module für die CineChamber entwickelt. Zu ihnen gehören Alva Noto und Blixa Bargeld, Maryanne Amacher, Biosphere, Ryoichi Kurokawa und Christian Marclay.
Recombinant Media Labs ist das Ergebnis von Experimenten, die vor etwa 20 Jahren mit dem Projekt Sound Traffic Control, einem turmartigen Gebilde aus Fernsehern und unzähligen Lautsprechern, in Tokios Ginza-Distrikt begonnen haben. Nach einigen Jahren, in denen RML in seinen Werken vor allem Live- und programmierte Veranstaltungen von Ausmaß und Substanz in symphonischer Qualität miteinander verbunden hat, schlossen sich RML und das Label Asphodel zusammen und besetzten zwei Speichergebäude in San Francisco, um darin ein Zentrum für Performancekunst einzurichten – der Ort, an dem sie ihren immersiven, simulationsartigen Stil des Surround-Kinos entwickeln und ausbauen konnten. Nachdem RML wiederum für einige Zeit an diesem festen Standpunkt im Zentrum San Franciscos gearbeitet hatte, wurde eine neue Organisation mit dem Schwerpunkt auf mobilen Setups gegründet – nicht zuletzt mit der Absicht, den sich häufenden Anfragen nach internationalen Auftritten in Museen und auf Festivals entgegenzukommen. Über die Jahre hinweg hat Recombinant Media Labs sich eine erlesene Sammlung von Kunstwerken aufgebaut, so dass es Zeit wurde, der Welt diesen Schatz an audiovisuellen Stücken vorzuführen. Von den Beschränkungen einer geografisch fixierten Konstruktion befreit, ist es RML mit seiner nomadischen Organisationsform nun auch möglich, gemeinsam mit anderen Organisationen Arbeitsaufenthalte in verschiedenen Metropolen anzubieten. Diese avantgardistische, hybride Medienplattform hält auch für potenzielle Partner, (Co-)Produzenten und Kuratoren zahlreiche Möglichkeiten der Präsentation bereit. Das Konzept der CineChamber regt zugleich einen Diskurs an über die verschiedenen Grundlagen der Themen Live- und virtuelle Konzertdarstellungen, ohne dass diese Fragen immer beantwortet werden müssen. Die Grenzen verschwimmen zu lassen zwischen dem „temporären Erscheinen der Kunst für eine Nacht“ und dem Ansatz, die Erlebnisganzheit des 360-Grad-Sensoriums für die Gegenwart und die Zukunft festzuhalten, um sie wieder erleben oder und wieder entdecken zu können, ist Teil von RMLs Konzept des Experiential Engineerings. Dieser Ansatz bringt eine bestimmte Ausrichtung von Methoden, Pädagogiken und Produktionssystemen mit sich, die dazu dienen, Frühmaterial zu bewahren und zu präsentieren, auf das weiterhin aufgebaut werden kann und das für die kommenden Generationen erfahrbar sein soll.
In der langen Tradition des Cinéorama und anderer Multiscreen-Experimente im Laufe des vergangenen Jahrhunderts und früher ist die 1897 patentierte Arbeit Raoul Gromoin-Sansons der direkte Vorläufer von RML. In seinem Projekt, das auch im Rahmen einer Weltausstellung gezeigt wurde, setzte Gromoin-Sanson zehn kreisförmig angeordnete, synchronisierte Filmprojektoren ein. Seitdem gibt es beispielsweise in Disneyland, im Pepsi-Pavillion in Osaka, in zahllosen IMAX-Kinos, diversen Licht-Shows und Panorama-Schau-Projekten vielerlei ambitionierte Versuche, den Zuschauer mit einem Ozean an Stimuli zu umgeben. Jetzt hat auch die CineChamber ihren Platz inmitten dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eingenommen – als eines der evolutionären Ergebnisse der Genialität, des Erfindungsreichtums und der Inspiration der frühen, revolutionären Pioniere.
Der Begriff ‚recombinant’ (rekombinant) in Recombinant Media Labs entstammt der Genetik. Die CineChamber als Spielfeld für die Synthese verschiedenster Raum-Medien ist ein Ort, an dem die Entstehung eines rekombinanten Organismus in Form von elektronischen ‚Nachkommen’ simuliert wird. Diese Organismen verfügen wiederum über kulturelle und veränderliche Eigenschaften, die ihre ‚Elternteile’ selbst nicht unbedingt aufweisen.
Recombinant Media Labs hat zahlreiche Partnerschaften aufgebaut, unter Anderem mit dem Center for Research in Computing and the Arts (CRCA) an der University of California in San Diego (UCSD), mit den Netzwerken E.C.A.S. (European Cities of Advanced Sound) und I.C.A.S. (International Cities of Advanced Sound).
Text von Naut Humon, Künstlerische Leitung (RML)
Die CineChamber im Rahmen der CYNETART 2011 wird unterstützt von dem Kulturprogramm der Europäischen Kommission und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Sie ist in Co-Produktion mit The Generator Foundation (Den Haag), der Trans-Media-Akademie Hellerau e.V./ CYNETART (Dresden), dem ORF / Musikprotokoll (Graz) und Cimatics (Brüssel) entstanden.
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In Kooperation mit dem Netzwerk E.C.A.S. (European Cities of Advanced Sound) wurden Signal, Monolake und Tarik Barri, Deadbeat und Lillevan sowie Edwin van der Heide beauftragt, neue Arbeiten eigens für die Berliner Variante der CineChamber zu entwickeln. Diese Arbeiten sind im Laufe des Januars 2011 entstanden. Bevor das System im Theater Hebbel am Ufer (HAU) aufgebaut wurde, war es bereits einige Wochen lang an einem anderen Ort installiert. RML hat in Zusammenarbeit mit dem verbundenen Label Asphodel Records regelmäßig renommierte internationale Musiker und Künstler zu Aufenthalten eingeladen, in deren Rahmen sie die Möglichkeit hatten, mit dem Raum-Apparat zu experimentieren und ihre künstlerischen, audiovisuellen, hybrid-medialen Projekte auszuarbeiten. Das Portfolio dieser Stücke bildet die Grundlage für vier verschiedene Programmblöcke von jeweils etwa 45 Minuten Länge, die jeden Tag zweimal aufgeführt werden und neue, speziell geschaffene Arbeiten zeigen.
Tags: 2011, Cinechamber, CYNETart, ecas